Der Eckhaus-Verlag aus Weimar ist ein noch junges Unternehmen, eine Verlagsgründung in den Zeiten, in denen das e-Book den Markt durcheinanderwirbelt – eine mutige Entscheidung und der Ehrgeiz, ein angesehener deutscher Verlag zu werden: ein löbliches Vorhaben. Thema des Verlages ist das Wahren der Erinnerung, denn geht die Erinnerung verloren, kann Zukunft nicht gestaltet werden.
Diesem Motto gehorcht auch das Buch von Ulrich Völkel, Cheflektor des Verlages, mit dem Titel Das ferne Grab. Der Inhalt des Buches ist weitgehend (auto)biographisch, die Ausgestaltung eine Fiktion. Völkel nennt seinen Text “Novelle”, was sich mir nicht erschließt, denn die “unerhörte Begebenheit”, das “seltsame, unerhörte Ereignis” , welches einer Novelle zugrunde liegen sollte – sie ist nicht erkennbar. Denn leider geht es um ein Schicksal, daß viele, Hunderttausende, vielleicht sogar Millionen Frauen teilen bzw. geteilt haben: ihre Männer sind auf den Schlachtfeldern des 2. Weltkrieges geblieben, ohne daß sie Abschied nehmen konnten und/oder daß sie – insbesondere bei den toten Soldaten in Russland/der Sowjetunion – das Grab besuchen konnten.
Völkel, Jahrgang 1940, erzählt in seinem Buch seine Familiengeschichte, besonders die Geschichte seiner Mutter, die er im Buch als Elisabeth (“Li”) Thal auftreten läßt. Es ist keine aussergewöhnliche Geschichte für die damaligen Zeiten, es ist die Zeit nach dem 1. Weltkrieg, die beiden Verliebten waren arm wie die Kirchenmäuse, als sie 1938 heirateten. Ihr Vater war nicht begeistert, er hätte lieber einen Mann mit einem handfesten Beruf an der Seite seiner Tochter gesehen als einen arbeitslosen kaufmännischen Angestellten. Aber die Mutter stand auf der Seite ihrer Tochter…. daß diese schon ihr erstes Kind unter dem Herzen trug, verschwieg Li allerdings wohlweislich….
Arm, arbeitslos, die Versicherung Lis aufgelöst, um halbwegs einen Hausstand gründen zu können – der Mann Robert verpflichtete sich bei der Wehrmacht auf 12 Jahre. Die wollte er auf einer Arschbacke abreißen und von dem Entlassungsgeld dann eine Farm in Afrika kaufen. Wärme, unendliche Weite.. das lockte ihn und Li wäre mitgegangen. Probleme mit den Losungen und Plänen der Nationalsozialisten hatte er nicht, natürlich saugten die Plutokraten und Juden Deutschland aus…. auch darin unterschied sich Robert kaum von vielen, den meisten anderen Deutschen.
Doch es kam anders als geplant… Robert machte den Feldzug nach Russland mit (.. ein längerer Aufenthalt in Russland… so steht es in einem seiner Briefe an Li), unendliche Weiten, unendlicher Schmutz, ein unangenehmer Gegner. Trotzdem wich das Überlegenheitsgefühl Roberts nicht, der Optimismus, den Feind bald besiegt zu haben: Seit den frühen Morgenstunden greifen wir an, um den Bolschewiken den Rest zu geben. Und daß es diesmal nach meiner Meinung nicht allzu lange gehen kann, davon bin ich überzeugt, weil deren Kampfmoral und vor allem das Menschenmaterial sehr mies ist. …. schreibt er im Mai 1942 nach Hause.
Auch zu Hause wird es immer schwieriger für Li. Zwei Kinder hat sie, das dritte ist unterwegs. Die Nahrungsmittel werden knapp, im Winter fehlt Heizmaterial, Medikamente gegen die Erkrankung der Kinder auch. Sorgen, Angst, Enttäuschungen, und immer wieder Hoffnungen, daß der Papa, der Mann Urlaub bekommt und wieder einmal, endlich, nach Hause kann….
Hans-Jörg R. –
Danke für dieses ergreifende Buch.
Danke für den Mut, mit den doch sehr persönlichen Dingen so offen und für alle lesbar umzugehen. Die geschriebenen Zeilen sind so gut gestaltet, dass man sich sofort in den Inhalt hineinversetzen kann. Und auch muss! Man kann schon nach wenigen Seiten nicht nur der außenstehende Leser bleiben. Der Wechsel zwischen der Beschreibung der eigentlich fiktiven Reise und den persönlichen Zeitdokumenten ist dem Autor gelungen. Man wird in den Bann der Geschehnisse gezogen, unweigerlich kommen auch vermehrt eigene Gedanken hinzu.
Durch eigentlich sehr knappe Sätze wird zusätzlich eine gut erkennbare Charakterisierung der anderen Personen vollzogen, die mit in der Gruppe der Kriegerwitwen reisen. Der am Ende des Buches folgende Gedichtzyklus „schöne kindheit gewesen“, sehr gut verständlich nach dem Lesen der Novelle, unterstreicht dann nochmals den Wert des Buches.
Ein lesenswertes Buch, besonders auch für jüngere Menschen, für die alles nur Geschichte ist.