Werk und Wesen eines Genies
Auszug aus dem Vorwort zum Buch von Ulrich Völkel
[…] Goethe und die Frauen ist ein allseits beliebtes Thema. Auch dazu gibt es ein ganzes Bord voller Bücher. Da geht es von dem unendlich das literarische Werk befruchtenden Einfluss bedeutender Frauengestalten, die Liebe im doppelten Wortsinn verdichtend, bis hin zu der schlichten Frage: Hat er oder hat er nicht? 38 Jahre lang hat er nicht. Da musste er erst in Italien eine Faustina treffen. Oder sie ihn.
Bruno W. Reimann, emeritierter Soziologieprofessor, hat sich mit dem Phänomen der Beziehungen Goethes zu den verschiedensten Frauen über Jahre hinweg beschäftigt, hat geforscht, verworfen, wieder untersucht und schließlich befunden: Der Mann Goethe litt offensichtlich unter einer Blockade, die mit dem Kuss einer 15-Jährigen und dem Fluch ihrer Freundin begann. Er hatte schlicht Angst, eine feste Liebesbeziehung einzugehen, was bei den damals grassierenden Geschlechtskrankheiten sogar nachvollziehbar ist.
Wenn man sich unvoreingenommen mit dem Thema beschäftigt, wie es Reimann tut, muss man sich doch irgendwann einmal die Frage stellen, weshalb er, Goethe, jedes Mal die Flucht ergriff, oft auf recht brüske Weise, wenn es „ernst“ zu werden drohte. […] Zwischen Werk und Wesen des Johann Wolfgang von Goethe klafft ein tiefer Graben. Und dieser eklatante Widerspruch ist der Forschungsgegenstand von Bruno W. Reimann. Mit keiner Silbe macht er die großen Dichtungen Goethes klein oder kleinlich. Sein Respekt vor dem Werk verbietet ihm a priori Mäkelei. Was ihn antreibt, ist die Frage, welche Ursachen im Charakter Goethes und im Geist der Zeit liegen. Mag sein, dass der eine oder andere Satz zu apodiktisch klingt. Übertreibung ist ein probates Mittel, um bestimmte Dinge deutlich zu machen. Nachvollziehbar aber ist, was Reimann mit vielen Quellen belegt oder durch eigene Forschung herausgefunden hat.
Es wird Entrüstung geben bei denen, die jede Zeile Goethes für göttliche Offenbarung halten. Es wird Kritik geben bei denen, die sich dank eigener Forschung ein anderes Bild von Goethe gemacht haben. Es wird Entsetzen auslösen bei denen, die sich nie wirklich Gedanken über Goethes Amouren gemacht haben, sondern noch so unverständliches Verhalten mit dem Satz entschuldigen, dass dem Jupiter erlaubt sei, was dem Ochsen nicht gestattet ist. Quod licet Iovi, non licet bovi. Am Ende bleibt, was nicht wegzureden ist: Goethe und die Frauen ist ein Kapitel für sich. Werk und Wesen sind nicht unbestritten deckungsgleich. Da ist Goethe im Übrigen nicht allein auf der Welt. […] Provocare heißt hervorrufen, herausfordern. In diesem besten Sinne provoziert Bruno W. Reimann.
Ulrich Völkel
Weimar, im November 2018
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