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Die drei Lagen der Nation
Autor Pierre Deason-Tomory aus Weimar hat ein Tagebuch zu den ersten vier Wochen Corona veröffentlicht
TLZ/TA 25.05.2020 | Von Michael Helbing

Der Autor als Kauz: Pierre Deason-Tomory im Selbstportrait auf einem Bahnsteig.
Weimar. Nicht alles ist schlecht an Corona. Die Krise bietet uns jetzt immerhin die Chance, endlich ein Buch vom alten Deason, 51, in die Hand zu nehmen. Nun ja, ein Büchlein eigentlich nur. Aber immerhin. Es ist ein Anfang. Und mit dem Anfangen kennt er sich aus. Mit dem Bald-wieder-Aufhören aber auch.
Pierre Deason-Tomory, DeutschAmerikaner, hat ein Corona-Tagebuch geschrieben und es zunächst bei Facebook veröffentlich sowie mitunter im Feuilleton der linken Splittergruppen-Postille Junge Welt. Inzwischen brachte es der Weimarer Eckhaus-Verlag heraus und setzte sich damit die Corona auf: den Siegerkranz für die erste literarische Neuerscheinung zur Krise.
Diese Schrift der Spötter beginnt am 14. März in der Kulturhauptstadt Weimar, wo Deason zu Hause ist, und geht am 12. April, Ostersonntag, in der „Absteigerhauptstadt“ Nürnberg, woher er stammt, schon wieder zu Ende: weil ihm angeblich „ohne neue eigene Eindrücke aus dem wirklichen Leben außerhalb der eigenen vier Wände“ der Stoff auszugehen drohte.
Das passt zu ihm. Deason ist ein Kauz, unstet und unberechenbar. Er hat das regelrecht kultiviert, zunächst in seiner Vergangenheit als Radiomoderator: DT 64, Radio Hamburg, Kiss FM. Er war einer der Besten, für mich der Beste. Doch binnen 20 Jahren schaffte er es auf 14 Sender in sechs Städten. Irgendwie muss er das mit dem Leben auf der Ultrakurzwelle anders verstanden haben. Bei Antenne Thüringen flog er 1999 raus, was für ihn und gegen den Sender spricht. Er hatte Hörern am Tag vor der Osternacht von Jesus‘ letzten Worten am Kreuz berichtet: „Mehr Nägel, ich rutsche!“
Einst Radiomoderator, dann Stadtrat, heute Hersteller von Gebrauchsprosa
Das Finale dieser Karriere führte ihn zu Radio Lotte Weimar, wo wir Kollegen und auch Partner vor dem Mikrofon waren. Er kam und ging und kam und ging wieder … Zwischendurch verschwand er nach Chicago, wohin das Tagebuch unter anderem abdriftet: „Ich konnte weglaufen, wohin ich wollte“, hält er fest, „ich kam nirgend an.“Das spricht sozusagen von der Einsamkeit des Kurzstreckenläufers. Bevor er „Hersteller von Gebrauchsprosa“wurde, „in der Weimarer Textindustrie“, absolvierte Deason, laut ironischer Selbstauskunft, „eine Durststrecke als gewissenloser Politik-Funktionär“. Ein Jahrzehnt lang saß er etwa im Weimarer Stadtrat: erst für die Linke, dann für die lokale Abspaltung Neue Linke, schließlich für die SPD. Ein undogmatischer Linker jenseits der Parteiprogramme ist er immer geblieben, ein Funktionär nie geworden. Ein politischer Kopf durch und durch, doch kein Politiker im eigentlichen Sinn.
Deason lebte immer in der Opposition, auch innerparteilich. Im Tagebuch verfolgt er jüngst im Fernsehen die Bundestagsdebatte zum Corona-Rettungspaket und diskutiert mit der Mutter über die Herkunft eines Redners: „Wenn man ihm zuhört und dann nicht weiß, welcher Partei er angehört, Mama, dann wird’s einer von uns sein.“Es ist dann tatsächlich, stellt sich heraus, ein Sozialdemokrat. In Nürnberg verbringt er die ersten vier Wochen Corona hauptsächlich. Dort tut er „Dienst als isolierter Lieferservice für die Frau Mama“, der die Quarantäne deutlich schwerer gefallen sein muss als ihm. Sie ist „die Frau, die wir in der Familie demokratisch zur Mutter gewählt haben, als ich noch zu klein war, um eine Normenkontrollklage gegen ihre Berufung anzustrengen.“
Nur zu Beginn sitzt er im Zug, um jenen Dienst anzutreten, sowie in der Mitte, um ihn kurz zu unterbrechen. Dort überlegt er sich auch die virusadäquate Durchsage, die dem Buch den Titel gibt: „Bitte in Fahrtrichtung rechts niesen.“Hypochondrisch begabt ist Deason auch.
Begabt vor allem aber ist er zur Welterkenntnis eines Lakonikers im scheinbar Abseitigen, dort, wo das Private politisch wird und das Politische privat. Wir kennen das von anderen relevanten Tagebuchschreibern mit deutlich mehr Atem: von Kessler bis Klemperer.
Vom Gleißhammer aus, einem Stadtteil Nürnbergs, betrachtet er in gebotener Satirikerdistanz das Geschehen vor Ort, in Thüringen und Deutschland, auch weltweit: gleichsam als Pandemiker der Gesellschaftskritik, der sich über Zustände wundert, sich darüber lustig macht und dabei ihren Kern trifft. Das spielt sich nicht selten vor und in Supermärkten ab („der letzte Ort, an dem Menschen zusammenkommen“). Über ausverkauftes Toilettenpapier schreibt er: „Mir ist die anale Phase der Nation peinlich.“Von Angela Merkel erwartet die Rede „zu den drei Lagen der Nation“ und fantasiert von der nahen Zukunft in der Farce einer DDR-Vergangenheit, in der „das Neue Deutschland vor dem Gebrauch wieder gelesen werden muss.“
Derweil wird er selbst für ein Hamsterer gehalten, weil er einem Aufruf zur Lebensmittelspenden für die Wärmestube hinterm Nürnberger Hauptbahnhof folgt.
Erfurt bewirbt sich um den Nobelpreis für Misanthropie
„Es ist die bizarre Logik des Kapitalismus“, findet er dabei zugleich: „Ein Laden, der von ultrareichen Hilfsorganisationen betrieben wird, bittet um Spenden. Weil das Geld, das sie vom Staat bekommen, um das Elend zu bewirtschaften, in der Krise natürlich nicht ausreicht. Warum nicht die Reserven angreifen, die man sich in guten Zeiten angefüttert hat? Die Antwort auf diese Frage sollte einen Molotow-Cocktail füllen, eigentlich, aber der macht jetzt niemanden satt.“
Weil Thüringens Landeshauptstadt zugleich einen Zaun, an den man Lebensmittelbeutel für Obdachlose hängen konnte, der Hygiene wegen räumt, meldet er uns auch: „Die Verwaltung der Stadt Erfurt hat sich offiziell um den Nobelpreis für Misanthropie beworben.“
Deason staunt über Markus Söder, der tue, was man von einem linken Ministerpräsidenten erwarte, während dieser sich, in Thüringen, erstmal wieder finden muss. Es geht um Radio und Religion, Fußball und Stubenfliegen, Alkohol und Tabak, um den Unterschied zwischen selbst gewählter und zwangsläufiger Isolation.
Das alles schreibt er wie nebenbei auf: im Präsens einer vorübergehenden Präsenz, die am liebsten durch und in der Abwesenheit glänzt. Doch wider besseren Wissens wollen wir hoffen, die sei nur der Prolog zu einem literarischen Werkeln und der Eckhaus-Verlag habe mit entsprechenden Knebelverträgen dafür die Vorkehrungen getroffen.
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