Stolperstein-Bücher sollen in ganz Deutschland erscheinen

08.11.2016 – TLZ
Der Weimarer Eckhaus-Verlag druckt regional Biografien von NS-Opfern vor allem für den Schulgebrauch.

Weimar. Der Künstler Gunter Demnig hat mittlerweile an weit mehr als 1000 Orten Stolpersteine gelegt – also Gedenktafeln aus Messing, die an die Wohnorte von Opfern der NS-Zeit erinnern. Es bedurfte aber erst des Weimarer Eckhaus-Verlages, damit nun Biografien der Geflüchteten, Vertriebenen und Ermordeten als Bücher vorgelegt werden. Begonnen hat der Verlag damit jüngst in Weimar. Nun soll die Reihe ausgedehnt werden: Nächste Stolperstein-Bücher werden wohl im Emsland und in Friesland entstehen. Es gibt bereits einen Autor, der sich der Lebensgeschichten annimmt, sagt Verlagsleiterin Katja Völkel. „Gespräche gibt es außerdem mit Coburg, Arnstadt, Apolda und Dresden“, sagt die junge Weimarerin.

Katja Völkel: Wir fassen schwierige Themen an

In einzelnen Städten gebe es zwar bereits Broschüren zu dem Thema; Bücher in Serie – die vor allem als Klassensatz für Schüler gesponsert werden können – diese Idee allerdings ist nach Völkels Angaben neu. Der Künstler hat dem zugestimmt. Sponsoren können Vereine, Verbände, Unternehmen, aber auch Einzelpersonen sein, die dieses Vorhaben unterstützen wollen. Druck und Autoren werden so bezahlt. „Die Verlagsleistung unsererseits war ehrenamtlich“, so Katja Völkel. „Wenn das Projekt deutschlandweit gestartet wird, haben wir zwar keinen monetären Gewinn, aber wir werden dadurch bekannter“, hebt sie hervor. Zum Konzept des Eckhaus Verlags passen diese biografischen Notizen. Bücher wie „Franzosenbalg“ über einen Jungen, dessen Vater Besatzungssoldat war, gehören dazu. Auch das Werk zur historischen Ausstellung „Das Massaker von Mechterstädt 1920“ (TLZ berichtete jüngst) ist im Eckhaus Verlag erschienen, ebenso wie „Ein gewisser Herr Ramelow“ von Stefan Wogawa und „Ich erinnere mich – Aufzeichnungen, Reisen und Tagebücher“ von Wolfgang Held. Bücher zur Zeitgeschichte sind das Feld, das der Weimarer Verlag bestellt. „Wir haben fokussiert auf Kriegs- und Nachkriegszeit, auf Biografien jeglicher Art. Bücher über Menschen, die Geschichte geschrieben oder ihre Spuren hinterlassen haben, gehören mit zu unseren Hauptthemen“, so Katja Völkel. Dazu gehört Eva Schloss, die posthume Stiefschwester von Anne Frank. In ihrem Buch „Amsterdam 11. Mai 1944“ geht es um das Ende ihrer Kindheit. Ebenfalls im Eckhaus Verlag erschienen ist die deutsche Übersetzung von Bertrand Herz‘ Erinnerungen an seine Buchenwaldzeit „Der Tod war überall“.

Katja Völkel sagt: „Wir fassen schwierige Themen an. Das merken wir auch auf Messen: Viele sagen, die Leser wollen sich lieber unterhalten lassen. Aber uns sind diese Biografien wichtig. Wir sind da auf einem ganz guten Weg“, so ihre Einschätzung. Zurück zu den Stolperstein-Büchern: „Das Konzept ist, dass sich Schüler mit der Geschichte ihrer Stadt beschäftigen können“, sagt sie. Zwei Drittel der Weimarer Bücher sind schon an den Schulen. „Das letzte Drittel nehmen wir zur Akquise für andere Städte – und einige gehen auch in den Verkauf“, macht sie deutlich. Die Nachfrage sei groß – auch außerhalb der Schulen. An diesem Mittwoch, in Erinnerung an das Unrecht der Reichspogromnacht 1938, werden in Weimar die Stolpersteine gereinigt. Auch dort machen Schüler mit. Dabei wird auch an die Biografien, wie sie im Weimarer Stolperstein-Buch stehen, erinnert. „Wir haben gemerkt, wie sich mit dem Buch hier ein Bewusstsein für die einzelnen Stolpersteine bildet.“ Denkbar sei, dass Gruppen oder einzelne Personen eine Art Patenschaft für Stolpersteine übernehmen, so Völkel.

Freitag, 18., und Samstag, 19. November, 10 bis 18 Uhr in der Erfurter Arena; Eintritt frei, am 19. November um 15 Uhr wird Ulrich Völkel aus seinem Buch „Das ferne Grab“ lesen.

Gerlinde sommer / 08.11.16 / ZGT