Zum neuen Buch des Weimarer Autors Wolfgang Held
Annerose Kirchner, OTZ 23. Juli 2014

Der schwer kranke Weimarer Schriftsteller Wolfgang Held blickt auf sein Leben zurück und betrachtet sein Buch „Ich erinnere mich“ als Vermächtnis.
Wolfgang Held vor vier Jahren während eines Porträt-Termins in Weimar. Foto: Sascha Fromm
Als der DEFA-Spielfilm „Einer trage des anderen Last“ 1988 in die Kinos kam, sahen ihn weltweit Millionen. Was die wenigsten über den mit Preisen ausgezeichneten Streifen wussten: Es hatte fast 15 Jahre gedauert, bis Regisseur Lothar Warneke den Film realisieren konnte. Der Weimarer Schriftsteller Wolfgang Held hatte ohne Unterlass für sein Drehbuch gekämpft, gegen den Widerstand „geistig-ideologischer Dünnbrettbohrer und Ich-trau-mich-nicht Amtsträger“. „Erfolg ja, aber ein Publikumsrenner weltweit?“, schrieb Wolfgang Held damals in sein Tagebuch.
Nun blickt der schwer kranke 84-Jährige auf sein Leben zurück. „Oft bin ich in letzter Zeit gefragt worden, ob ich meine Lebensgeschichte aufschreiben wolle. Das hielt ich nicht für notwendig.“ Er hat seine Meinung geändert und schreibt darüber einen seiner schönsten Sätze: „Aber mit zunehmendem Alter setzten sich die Erinnerungen wie Vögel in meinen Lebensbaum.“
Wie das traumatische Erlebnis als 14-Jähriger, der im April 1945 auf dem Ettersberg im von den Amerikanern befreiten Lager verzweifelt nach seinem Onkel Rudi sucht und ihm ein ehemaliger Häftling angesichts der Leichenberge sagt: „Da sind Tränen nicht genug, mein Junge.“ Ein Satz, der prägend für das weitere Leben wurde. Gefunden hat er den geliebten Onkel nicht.
Der, ein Jungkommunist, floh 1938 in die Sowjetunion, wurde von Stalin an die Nazis ausgeliefert, kam ins KZ Buchenwald. Dort war sein Schwager Aufseher. Rudi meldete sich für das Strafbataillon 999, „ein Höllenkommando“, an die Ostfront und wurde wohl bei dem Versuch des Überlaufens zur Roten Armee erschossen. Doch darüber gibt es keine genauen Hinweise.
Diese Ungewissheit beschäftigt Wolfgang Held bis heute. Die beeindruckend geschilderten Kindheitserinnerungen, bezeichnet als „Milchzahnjahre“, gehen zurück in die Familiengeschichte: eine Großfamilie, die gegensätzlicher nicht sein konnte. Der Vater Sozialdemokrat, Onkel Martin ein Deutschnationaler, Tante Lieselotte, die Hitler verehrte. Ihr Verlobter, ein SS-Mann. Der ruhende Pol: die Großmutter, die bestimmte, wo es lang ging. Warum er es keine drei Tage ohne Bücher aushielt, ist ebenfalls in diesem reflektierenden Band nachzulesen.
Die Auszüge aus „Tagebüchern, Notizheften und Zettelkästen“ zeigen den Wolfgang Held, wie ihn die Leser und Kollegen kennen: als aufrichtigen Intellektuellen, kritisch fragenden Kommunisten, der sich keinen Sand in die Augen streute, was die Entwicklung der DDR betraf. Doch im Juli 1989 – hier enden die Tagebuchaufzeichnungen – fragt er sich ratlos: „Was sagt Gorbatschow? Ich mache mir Sorgen. […] Sollen alle Mühen für die Katz gewesen sein? Zurück in die Zeit meiner Kindheit?“ Und macht sich Vorwürfe, weil er bei mancher Ungerechtigkeit nicht eingriff.
Diese Ungewissheit beschäftigt Wolfgang Held bis heute. Die beeindruckend geschilderten Kindheitserinnerungen, bezeichnet als „Milchzahnjahre“, gehen zurück in die Familiengeschichte: eine Großfamilie, die gegensätzlicher nicht sein konnte. Der Vater Sozialdemokrat, Onkel Martin ein Deutschnationaler, Tante Lieselotte, die Hitler verehrte. Ihr Verlobter, ein SS-Mann. Der ruhende Pol: die Großmutter, die bestimmte, wo es lang ging. Warum er es keine drei Tage ohne Bücher aushielt, ist ebenfalls in diesem reflektierenden Band nachzulesen.
Die Auszüge aus „Tagebüchern, Notizheften und Zettelkästen“ zeigen den Wolfgang Held, wie ihn die Leser und Kollegen kennen: als aufrichtigen Intellektuellen, kritisch fragenden Kommunisten, der sich keinen Sand in die Augen streute, was die Entwicklung der DDR betraf. Doch im Juli 1989 – hier enden die Tagebuchaufzeichnungen – fragt er sich ratlos: „Was sagt Gorbatschow? Ich mache mir Sorgen. […] Sollen alle Mühen für die Katz gewesen sein? Zurück in die Zeit meiner Kindheit?“ Und macht sich Vorwürfe, weil er bei mancher Ungerechtigkeit nicht eingriff.
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