neues deutschland vom 08.09.2014, von Hans-Gerd Öfinger

Happy End mit Bodo Ramelow

Gregor Gysi dankte dem Thüringer Spitzenkandidaten für dessen Kampf gegen Geheimdienstschnüffeleien Perfektes Timing: Kurz vor einer Buchvorstellung über die Bespitzelung Bodo Ramelows durch den Verfassungsschutz, ordnete das Kölner Verwaltungsgericht die Löschung der Akte Gysi an.

Das passte: Soeben hatten die Medien gemeldet, dass der Verfassungsschutz nach einem Beschluss des Kölner Verwaltungsgerichts die Personenakte über Gregor Gysi löschen muss. Wenig später trat Gysi in Weimar als Laudator bei der Präsentation des Buches »Ein gewisser Herr Ramelow« auf. Das mit Gysis Vorwort versehene Werk des Autos Stefan Wogawa beschreibt ausführlich, lebendig und spannend, wie der Abgeordnete und Spitzenkandidat der Linkspartei im aktuellen Thüringer Landtagswahlkampf über drei Jahrzehnte bespitzelt wurde und sich dagegen zur Wehr setzte.

»Meinen heutigen Erfolg verdanke ich in gewisser Weise Bodo Ramelow. Er hatte die Kraft und Geduld, alle vier Instanzen zu durchschreiten. Das Bundesverfassungsgericht gab ihm Recht«, lobte Gysi Ramelows hartnäckigen Einsatz. Dieser war von Erfolg gekrönt, als das Bundesverfassungsgericht im Herbst 2013 Ramelows geheimdienstliche Beobachtung für unzulässig erklärte. Jahrelang hätten staatliche Instanzen die Überwachung von Abgeordneten der Linkspartei mit der »irrwitzigen Argumentation« gerechtfertigt, man müsse »führende Kräfte in Partei und Fraktion beobachten, um zu wissen, ob Extremisten auf sie Einfluss gewinnen«, so Gysi. Tatsächlich habe die Überwachung die Partei benachteiligt, ihren Ruf geschädigt und ihre Entwicklung stark gehemmt. Vor allem in Bayern habe die Angst vor negativen Konsequenzen etliche Menschen von einem Beitritt oder einer Kandidatur bei Kommunalwahlen abgehalten. »Dort müssen Bewerber für den Öffentlichen Dienst in einem Formular immer noch angeben, ob sie früher Mitglied des Verbandes der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter der DDR gewesen sind«, kritisierte Gysi.

»Das alles ist nichts Schönes, aber letztlich eine Geschichte mit Happy End«, brachte es Buchautor Stefan Wogawa auf den Punkt. »Eine juristische Ohrfeige für das Bundesverwaltungsgericht«, das drei Jahre zuvor, im Sommer 2010, in einem »Schandurteil« die Überwachung für verhältnismäßig und angemessen gehalten und damit die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben hatte.

Wogawa hatte schon 2007 das Buch »Die Akte Ramelow« herausgegeben. Der Mitarbeiter der Linksfraktion im Erfurter Landtag ist seit den späten 1990er Jahren ein Weggefährte des heutigen Spitzenkandidaten und hat dessen Einsatz aus nächster Nähe miterlebt und dokumentiert. Beide arbeiteten zu jener Zeit Tür an Tür im Erfurter Gewerkschaftshaus und schrieben für eine DGB-Zeitung. Damals nahm der NSU-Terror in der von bezahlten V-Leuten des Verfassungsschutzes durchsetzten Thüringer Neonaziszene seinen Anfang.

Ins Visier der Geheimdienste gerieten allerdings vor allem linke und antifaschistisch motivierte Gewerkschafter. So auch Ramelow, der 1999 auf Platz 2 der PDS-Landeliste erstmals für den Landtag kandidierte und in einer 1998 vom damaligen Thüringer CDU-Regierungschef Bernhard Vogel zu Propagandazwecken in Umlauf gesetzten Broschüre der Ost-CDU-Landesverbände allerlei verzerrte, falsche und vermeintlich diskreditierende Details aus seiner Biografie vorfand. Seine Vermutung, dass es sich um eine gezielte Zersetzungskampagne der Geheimdienste handelte, erwies sich bald als zutreffend. Schließlich entsprachen die Inhalte des CDU-Pamphlets 1:1 den Eintragungen in Ramelows geheimer Verfassungsschutzakte.

»Ich habe mich nie bedrängt gefühlt, saß in keinem Geheimdienstgefängnis und habe auch keine Biografie zerstört bekommen«, sagte Ramelow. »Das Buch ist weder eine Helden- noch eine Opfergeschichte, sondern ein deutsches Lesebuch über den Kalten Krieg.« 30 Jahre lang habe »dieses Bundesamt akribisch alles über mich gesammelt« – vom Engagement des jungen Ramelow in der westdeutschen Friedensbewegung der 1980er Jahre bis hin zur Geburtsanzeige seines Sohnes und den Protesten gegen das existenzvernichtende Berufsverbot für den damaligen Marburger Postbeamten und DKP-Mann Herbert Bastian.

In Ramelows Akte stand auch, dass er in den 1990er Jahren am Rande der Feierlichkeiten zum »Tag der Deutschen Einheit« in Düsseldorf bei einer DGB-Veranstaltung über die Tarifentwicklung und Lohnangleichung Ost-West berichtet habe. Seine Frage, was daran »falsch oder extremistisch« sei, habe auch vor Gericht niemand beantworten können. »Eine Demokratie braucht solche Geheimdienste nicht«, so sein Resümee in Weimar.