DIE WELT vom 10. September 2014. Autor: Matthias Matussek

Da ist das besondere thüringische Paradox, mit dem der nimmermüde durchs Land wandernde Genosse Bodo Ramelow in den letzten Tagen des Wahlkampfs zu punkten gedenkt. In sein Tagebuchlog lässt er eintragen, wie begeistert ihm die Menschen begegneten und wie sehr sie ihm die Regierungsverantwortung zutrauten. Ansonsten Ideologisches. Kurz vor der Wahl wird das Buch „Ein gewisser Herr Ramelow“ der Presse vorgestellt, in dem dokumentiert wird, wie sich der Linke „gegen unlautere Bespitzelung durch deutsche Geheimdienste zu wehren hatte“.

Dass nämlich die Verfassungsschutzbehörden, die im NSU-Skandal eine geradezu kriminelle Blindheit gegen rechtsradikale Killer an den Tag gelegt hatten, gegen ihn, Mitglied und Mitkopf einer demokratischen Partei, seit drei Jahrzehnten ermittelten und schnüffelten und nun auf Weisung aus Karlsruhe damit Schluss machen mussten, ist ein Sieg des wehrhaften Bürgers Ramelow.

So erhält plötzlich auch Bodo Ramelow eine Art Widerstandsvita, eine Überwachungsvita, nur spiegelverkehrt und in ihren Auswirkungen doch weniger lebensbedrohlich, als es in Hohenschönhausen für die Dissidenten der Fall gewesen war.